Das Gespenst Komplexität II: Wirtschaftskriminalität

Besonders da, wo es nicht spuken sollte, gruselt es, wenn liegengebliebene Aktenordner in den Ketten angemessener Verfahrensdauer durch unser Rechtssystem geistern. Ausgewogen soll ein Urteil sein, was im Ergebnis nur ein Deal gem. § 257c StPO leisten kann.

Mit dem alten Sprichwort lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach wird so ein Handel sinnvoll, besonders wenn der Spatz unsere Staatskasse mit mehreren Millionen Euro füllt und die Taube auf dem Dach allenfalls als ideologischer Zierrat die Schlagzeilen bereichert. Bei einem guten Deal bleibt die Kirche im Dorf und die Wahrheit auf dem Dach, weil die Suche nach Schuld oder Unschuld mehr Kosten produziert als der sprichwörtliche Spatz in unsere Kassen spielt. Ich jedenfalls gehe ja auch lieber mit Geld als mit Wahrheit meine Brötchen kaufen.

Also, nicht Wahrheit steht im Vordergrund, wenn derzeit ein 18 Mann starkes Team mit Staatsanwälten und Wirtschaftsreferenten an der Klage gegen sechs Ex-Vorstände einer großen Bank arbeitet. Die Täubchen bestreiten die Vorwürfe und nach fast einem Jahr ist die Frage einer Zulässigkeit der Klage noch immer offen. Dabei ist anzumerken, dass dieser Fall nur als einer unter anderen im Nachgang der Finanzkrisen unser Rechtssystem belastet.

Viele Betrugs- und Untreuefälle verjähren, andere müssen eingestellt werden. Ihre Komplexität wirkt zugunsten der Schuldigen und kann als Strategie von Wirtschaftsanwälten dazu führen, dass sich Sachverhalte solange aufplustern, bis der Weg zu einem ordentlichen Verfahren völlig verstopft ist. Dann ist da kein Durchkommen mehr in dem bisschen Zeit, das für eine angemessene Aufarbeitung vorgesehen ist. Schließlich soll das Verfahren bei Klägern und Beklagten keine Schadensersatzansprüche rechtfertigen, was Dank EU-Recht im Hinblick auf Unschuldige sinnvoll ist.

Der Nebel drückt gewaltig, wenn das Gespenst den Sachverhalt umschließt und ein schlechtes Geschäftsmodell nicht mehr von Betrug zu unterscheiden ist. So wäre es doch schade, wenn unsere sechs Spatzen einfach wieder fortflögen, weil die dritte Macht vor der Taube auf dem Dach kapituliert. Lasst sie da sitzen. Unser Haushalt freut sich über Deals in zweistelligen Millionenbereichen. Oder sollte es etwa nur trockene Täubchen mit magerer Füllung und fetten Zeitungs-Titeln geben?
#clapf

Inspiration: Große Show, kleines Kaliber, Wirtschaftswoche 47
Fortsetzungen: Das Gespenst Komplexität IIa und Das Gespenst Komplexität IIb

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