Das Gespenst Communities: Entblößung oder hallo Welt 2.0

In den 80ern wurde eine einfache Volkszählung noch durch massive Proteste verhindert. In Zeiten von Web 2.0 sind Bedenken zum Schutz der Privatsphäre mega-out. Willkommen im 21. Jahrhundert.

drei Frauen in Leggings von hinten

© #clapf 2013: Street, Körper im 21. Jahrhundert

Es wundert mich ja, dass wir noch nicht in transparenten Klamotten auf die Straße gehen. Ja, woran liegt das bloß? Richtig wir haben noch keine wärmenden Stoffe erfunden, die durchsichtig scheinen, obwohl die Leggings – heute getragen ohne Rock oder Tunika – die Körperformen weitestgehend transparent gemacht haben. Diese Hosen gab es in den 80ern des 20. Jahrhunderts so nur im Pferdestall oder im Aerobic-Video zu sehen. Heutzutage kommen sie mir täglich unter die Augen.

Da frage ich mich, wie lange wohl noch die Haut verhüllt bleiben wird, während Emotionen und Gedanken aus einschlägigen Communities längst gesammelt abrufbar wären, aber richtig: Das interessiert ja niemanden, weil Privatsphäre doch nur die Bösen brauchen, weil darüber zu reden in Zeiten von Web 2.0 den Staub der achtziger Jahre trägt oder weil wir technisch einfach keine praktikableren Alternativen haben.

Für die letzte Begründung spricht die Tatsache, dass es noch immer keine bequemen, leicht verständlichen, also massentauglichen Verschlüsselungsdienste gibt. So wie Chat- und Mail durch anmelden, Daten Preis geben und loslegen bei den bekannten Stellen zu haben sind, so kompliziert ist es Schlüssel vertraulich auszutauschen. Bleibt zu hoffen, dass irgendein technischer Fortschritt das datenfressende Community-Dasein wieder überflüssig machen wird. Aber sicher irre ich mich genauso wie ich mich schon einmal in der Annahme geirrt habe, dass Windows mit seinen Würmern und Viren eines Tages Geschichte sein wird. Nein, es hat jetzt ein recht schickes Design zugelegt, hinter dem sich weiterhin Trojaner und Malware verbergen dürfen.

Gerüchten zufolge wird da im Zentrum des Window-Systems schon länger nichts mehr entwickelt. Nur Schadsysteme werden modernisiert. Und da kein normaler User einschließlich meiner Wenigkeit versteht, was daraus werden kann und Information, Aufklärung, Kompetenz und Ressourcen, derzeit weder nicht-staatliche Akteure noch Bündnisse organisieren können, gibt es das von der Gerda Henkel Stiftung geförderte Forschungsfeld „‚Cybersecurity’ als staatliche Aufgabe“. Also, brauche ich darüber nicht mehr nachzudenken.

Trotzdem habe ich für mich niemals aufgehört, die Sinnhaftigkeit von Privatssphäre und Datenschutz hoch zu halten, indem ich nie unverschlüsselt per Mail oder Telefon über Waffengeschäfte, Auslandskonten oder Drogengeld gesprochen hätte. Deshalb war ich um so erstaunter, als ich in einem Kommentar Golems Meinung zu diesem Thema las. Golem hatte nämlich Bewerbungen per e-Mail erbeten, wonach ein Leser nachfragte, ob da nicht noch der Link zu einem PGP-Schlüssel oder einem X.509 Zertifikat zum verschlüsselten Versenden der Bewerbung fehle mit dem Hinweis, dass es offline unüblich sei, Bewerbungsanschreiben, Lebenslauf, etc. auf einer Postkarte zu verschicken.

Die für mich recht erstaunliche Antwort Golems war, dass eine Mail im Vergleich einem normalen Brief entsprechen würde und eine verschlüsselte E-Mail dann wie ein Brief per Einschreiben wäre. In beiden Fällen nur vom Empfänger lesbar. Tatsächlich wandert eine unverschlüsselte Bewerbung aber in den semi-öffentlichen Bereich. Das heißt, selbst wenn sie aus dem Mailprogramm des Empfängers gelöscht wird, schwebt ihr Abdruck, wie die NSA-Geschichte zeigt, durch beseelte Technik.

Vielleicht zählt es ja zu den modernen Verschwörungstheorien, dass niemand wirklich weiß, ob sein Server gehackt ist oder nicht – und dass eben diese Unsicherheit niemand zugeben wollen würde und kein Mensch bei Verstand sich wagen würde zu unterstellen. Wie auch immer, in den einschlägigen Communities spielt soetwas eh keine Rolle mehr.
#clapf

Zitate und Infos: Sonderprogramm Sicherheit, Gesellschaft und Staat

One Comment

  1. In diesem Blogpost beschäftigt sich jemand ausführlich mit den technischen Klippen, die umfahren werden müssen, um NSA fernere Gefilde zu erreichen.
    Ein Unmöglichkeitsbericht zur Lage von Niels:

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