Die Bitcoin-Vision: Tulpenzwiebel oder ein 1:1 Million-Dollar-Taler

Den hoch fliegenden Traum vom schnellen Geld konnten Anleger im 17. Jahrhundert mit Tulpenzwiebeln, im 19. Jahrhundert mit Eisenbahnen, im 20. Jahrhundert mit Internet-Startups und jetzt am Anfang des 21. Jahrhunderts mit virtuellem Geld erfahren. Der neueste Rausch heißt Bitcoin und der ist hübsch volatil.

Chart zur Entwicklung des Bitcoin

Schlaraffenland-Sehnsucht

Während die EZB diese Woche den Leitzins auf historischen Tiefstand regulierte und Renditen für Immobilieninvestitionen in Bestandsobjekte voraussichtlich auch sinken werden, hat eine bekannte Handelsplattform über die Zulassung des Bitcoin öffentlich nachgedacht und allein durchs Nachdenken den Kurs steil in die Höhe getrieben.

Dass der Bitcoin eine hochspekulative Anlage sei, davor ist immer gewarnt worden und tatsächlich wurden erst gestern Bitcoins im Wert von über 1 Millionen Euro von einem Server gehackt. Aber alle Träumer, die bei 10 Euro eingestiegen sind, dürfen jetzt fast das 20-fache an Gewinn einfahren, und das hätte doch kein Nerd je zu denken gewagt. Schließlich begann der Bitcoin eher als eine Idee von etwas, das alternativ neben unserem Geldsystem stehen sollte.

Inzwischen sind Bitcoins wohl kein bloß nerdiger Spaß mehr, seit mit der ersten großen Hausse im Frühling 2013 die meisten bekannten Tageszeitungen über die virtuelle Währung berichtet haben. Der Bitcoin ist hip und aus einer Utopie scheint Realität zu werden, wenn sich da nicht in Wirklichkeit statt der Idee eines alternativen Zahlungsmittels vielmehr eine andere Form von Kasino für alle Freunde der Spekulation offenbarte. Wir dürfen gespannt sein, wann dann auf dieser Spielwiese erste Bitcoinderivate gehandelt werden. Fern jeder staatlichen Kontrolle und mit hoher Volatilität sollte da viel Fantasie drinstecken.

Mit Milton Friedmann gedacht, handelt es sich bei Spekulationen ja um die Annahme einer Zukunft, die verhindern soll, dass Fehlentwicklungen verborgen bleiben. Übertragen auf die Entwicklung des Bitcoin würde dieser dann als Ersatzwährung im Hier und Jetzt die Fehlentwicklungen unseres Geldsystems repräsentieren und sich darüber hinaus als die andere Möglichkeit vorstellen. Diese andere Möglichkeit würde sowohl die Freiheit als auch die Last einer individuellen Eigenverantwortung bei der Verwaltung von Zahlungsmitteln beinhalten.

Die Selbstverantwortung beim Halten von Bitcoins besteht darin, dass die Gemeinschaft für die Buchhaltung aller Transaktionen zuständig ist und jeder einzelne für die sichere Aufbewahrung seiner Taler, wo auch immer. Eine zentrale Verwaltung durch Banken, die nicht zuletzt durch kritisierbares Management den Zorn des Volkes auf sich gezogen haben, könnte mit Hilfe von Bitcoins überflüssig werden.

Dass die Individuen so einer Selbstverantwortung möglicherweise nicht gewachsen sein werden, hat sich bereits am Beispiel unseres Rechts auf Privatsphäre gem. Art.2, Abs.1 i.V.m. Art.1, Abs.1 GG gezeigt, das nicht einmal unsere Bundeskanzlerin beim Telefonieren gegen eine große Organisation zu verteidigen wusste.
#clapf

Inspiration: Schnaas, Dieter; Es lebe die Spekulation! in: Wirtschaftswoche, September 2013

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