Was wäre, wenn Design-Dilettanten, wie ich, mithilfe moderner Software und 3 D-Druckern angefangen hätten ihre Wohnungseinrichtungen selbst zu gestalten? Vielleicht würde dann was ursprünglich einen Stuhl bezeichnete wie eine Gardrobe aussehen.
EndlessForms heißt der neue Trend, über den ich mich schon diebisch gefreut habe, weil nun auch ich, eine kunsthandwerklich wenig begabte und von Inneneinrichtungs-Frustkäufen geplagte Frau, mir per Klickibunti eine Sitzgelegenheit designen können wollte. Nicht dass ich für meine Innenräume nie Visionen gehabt hätte, aber für ein geschmackvolleres Ergebnis mit Barcelona Sesseln von Mies van der Rohe fehlte mir seit eh und je das nötige Kleingeld. Daran nahm ich mir vor, endlich etwas zu ändern.
Als erstes suchte ich in EndlessForms die Kategorie Stuhl und wählte aus den 15 angebotenen Formen jene aus, die dem Design-Stück am nächsten kam. Dann entwickelte ich die Ausgangsform mit Hilfe der Envolve-Funktion und siehe da, es waren 15 neue Modelle entstanden. Sie glichen zwar nur mit viel Fantasie einem Stuhl, hielten mich aber nicht von meinem Vorhaben ab, einen Sessel à la van der Rohe zu kreieren – im Gegenteil: Ich machte mir große Hoffnungen.
Bereits nach 18 Entwicklungen war ich zu der Auffassung gekommen, dass mir nicht nur kein Barcelona Sessel, sondern überhaupt kein stuhlähnliches Gebilde gelingen würde. Frustrieren lassen wollte ich mich deshalb aber nicht, schließlich hatten meine Laien-Reproduktionen im Bereich Bild, Ton und Film auch einmal so mühsam begonnen: Das Pferd war lange aus dem Bild galoppiert, ehe ich den Auslöser gedrückt hatte, mein Flötenkonzert war hinter dem Störrauschen des Mikrofons verschwunden und der Mord an meiner Barbie auf Super 8 hatte mehr komische denn spannende Momente zu bieten gehabt.
So fand ich mich damit ab, dass das von mir designte Ding nicht mit den landläufigen Vorstellungen eines Stuhls übereinstimmte. Ich ging einfach davon aus, dass sich in naher Zukunft solche laiendesignten Nicht-Stuhl-Sitzgelegenheiten etablieren würden und uploadete mein Modell zum Copyshop um die Ecke. Beim Material wählte ich etwas Preisgünstiges.
Am nächsten Tag wurde mir mein neues Möbel geliefert. Es war stabil, ich konnte darauf sitzen und mein in Design und Innenarchitektur geschultes Umfeld fragte, was dieses Etwas in meinem Zimmer sollte. Schnell war ich der entsetzten Blicke überdrüssig geworden, sobald ich von dem Stuhl sprach. Deshalb gewöhnte ich mir an von der 18. Generation eines Stuhls zu sprechen, nicht ohne erklärend beizupflichten, dass jene Stuhl-Generation wie alle anderen Stühle in meinem Besitz vorallem preisgünstig gewesen wäre.
Danach überließ ich wieder Design den Designern und freute mich sehr, als ich im Internet auf eine Tauschbörse für Möbelmodelle stieß, wo ich mir den Bauplan des Barcelona Sessels downloaden konnte. Dazu nahm ich einen Tisch und zwei andere Stühle von noch unbekannten Designern und uploadete die Modelle zum Copyshop. Die jungen Designer hatten ihre Arbeiten unter der Bedingung freigegeben, dass ihr Name gut sichtbar auf dem Möbelstück platziert werden würde. Das war zwar etwas ärgerlich, besonders bei der Tischplatte, aber nicht so bedenklich wie die Abmahnung wegen des Barcelona Sessels samt Rechnung.
Da ich äußerst kurzlebige Materialien gewählt hatte, war mir die Nutzung des Designs nur für eine Dauer von zwei Jahren berechnet worden, was mir auch gefiel, denn danach würde ich mir auch sehr gut vorstellen können, etwas von der Mies van der Rohe-Maschine zu nehmen. Sie wird, wie ich glaube, bald recht ansehnliche Ergebnisse produzieren. Aber dazu ein anderes Mal – vielleicht.
#clapf
noch eine Druck-Vision: Intelligentes Material oder meine Socken legen sich von selbst zusammen
Inspiration: 3D-Design für alle, Technology Review August 2011